Lage. Geht es nach dem Willen des Ausschusses für öffentliche Ordnung, Sicherheit und Feuerwehr, wird am historischen Rathaus die erste Überwachungskamera der Zuckerstadt im öffentlichen Raum installiert. Sie soll den gesamten Marktplatz in Richtung Bergstraße ins Visier nehmen. Im Auftrag der Stadt prüft derzeit der Datenschützer des Kommunalen Rechenzentrums, ob die Kamera geltendem Recht entspricht. Welche Vorzüge seiner Meinung nach eine Überwachung haben soll, stellt Ausschussvorsitzender Gerhard Wißbrock (CDU) heraus.
Ist der Lagenser Marktplatz wirklich ein so kriminelles Pflaster, dass er einer Kameraüberwachung bedarf? Der Polizei ist bisher kein Verbrechen auf dem Marktplatz bekannt geworden.
GERHARD WISSBROCK: Wir sind von einem großen Teil der weiblichen Bürgerschaft angesprochen worden, dass vor allem in den Abendstunden ein sehr starkes Angstgefühl beim Überqueren des Marktplatzes herrscht. Das betrifft junge wie alte Frauen gleichermaßen. Wir sind der Auffassung, dass eine Kameraüberwachung präventiv wirkt. Eine Grippeschutzimpfung macht man ja auch, bevor man erkrankt und nicht hinterher. Wenn dieses Unwohlsein an einem zentralen Platz der Stadt vorherrscht, müssen wir was unternehmen. Das hat uns geleitet. Von Seiten der Polizei wird immer gesagt: Da ist bisher nichts passiert. Wir sagen: Ja, muss denn erst etwas passieren, bevor man reagiert?
Gibt es, wenn überhaupt, nicht andere Orte, die überwacht werden müssten, beispielsweise die Unterführungen an der Bahnhofstraße oder an der Breiten Straße?
WISSBROCK: Wir haben schon vor einem Jahr, noch zu Zeiten von Rot-Grün, die Landesregierung gebeten, dass es den Kommunen selbst überlassen wird, zu entscheiden, wo und wie viele Kameras installiert werden. Als Faustregel gilt bei unserem Vorschlag eine Kamera pro 10.000 Einwohner.
Was versprechen Sie sich von einer Kameraüberwachung?
WISSBROCK: Der Marktplatz wird von sechs anderen Straßen berührt beziehungsweise gekreuzt. Dadurch bedingt gehen sehr viele Menschen über den Marktplatz. Wenn im Zentrum etwas passiert, können durch eine Videoüberwachung flüchtende Täter erkannt werden. Sie müssen zwangsläufig den Marktplatz kreuzen, egal aus welcher Richtung sie kommen. Aufgrund Ihrer Berichterstattung haben sich Leute bei mir gemeldet, die auch in der Friedrichstraße bis zum Modehaus Brand eine Kameraüberwachung wünschen.
Wollen Sie das auch?
WISSBROCK: Wir wollen so eine Überwachung nur an den wichtigsten Orten und da, wo eine Abschreckung, sprich Prävention, erzielt werden kann. Auch soll so eine Technik bei der Aufklärung von Straftaten mit herangezogen werden.
Junge Flüchtlinge halten sich im Bereich des Marktplatzes auf, um freies WLAN zu nutzen. Wollen Sie diese Gruppe von dort vertreiben?
WISSBROCK: Nein. Wenn wir das wollten, würden wir den Freifunk für diesen Bereich abschalten. Es sind übrigens nicht nur Flüchtlinge, die dieses Medium an dieser Stelle nutzen. Sondern auch viele EU-Bürger aus dem osteuropäischen Raum, die nach Lage gezogen sind.
Wer soll denn den Überwachungsmonitor im Augen behalten? Die Polizei macht das nicht.
WISSBROCK: Das kann ein städtischer Mitarbeiter. Die Kamera hat den Zweck, bei einer Straftat den Täter zu ermitteln, aufzuklären. Wenn wir wollten, dass sofort eingegriffen wird, müsste da immer jemand sitzen. Dann müsste er auch da sitzen, wenn nichts passiert. Das wäre eine viel teurere Variante.
Vermittelt eine Kamera nicht viel eher ein trügerisches Gefühl von Sicherheit?
WISSBROCK: Die Bodycams für Polizisten sind doch auch angeschafft worden, um deren Sicherheit zu erhöhen. Wenn der Angreifer sieht, oh, ich werde gefilmt, macht er nichts.
Welche Orte könnten für eine Videoüberwachung noch in Betracht kommen?
WISSBROCK: Die Unterführung an der Bahnhofstraße und der Bereich am Busbahnhof. Im Übrigen wollen wir den Marktplatz künftig auch besser ausleuchten.
Das Interview führte LZ-Redakteur Wolfgang Becker
Quelle: Lippische Landes-Zeitung, 16.11.2017, Seite 14